Dr. Robert Conrad

Dr. Robert Conrad

Fakultät für Humanwissenschaften (FHW)
Vita
  • 2003: Studium der Fächer Geschichte, Sozialkunde und Erziehungswissenschaft (Gymnasiallehramt) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena

  • 2006-2009: Tutor und studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und am Institut für Politikwissenschaft

  • 2009: Abschluss des Studiums mit dem Ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien

  • 2009/2010: Studienreferendar für Politik-Wirtschaft und Geschichte am Staatlichen Studienseminar für Gymnasien in Göttingen (Land Niedersachsen)

  • 2010-2013: Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung

  • 8/2013: Stipendiat am Deutschen Historischen Institut in Rom

  • 7/2014-1/2016: Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Mittelalterliche Geschichte der Universität Erfurt (TMBWK-Projekt)

  • 2016: Promotion (summa cum laude, eingereicht am 24.08.2015, verteidigt am 20.01.2016) mit der Arbeit Salus in manu feminae? Studien zur Herrschaftsteilhabe der Kaiserin Richenza (1087/89-1141)

  • seit 2/2016: Studienreferendar für Politik-Wirtschaft und Geschichte am Staatlichen Studienseminar für Gymnasien in Göttingen (Land Niedersachsen)
Dissertationsprojekt

Salus in manu feminae? Studien zur Herrschaftsteilhabe der Kaiserin Richenza (1087/89-1141)

Die vorliegende Dissertation befasst sich mit der Herrschaftsteilhabe der römisch-deutschen Kaiserin Richenza, der Gemahlin Kaiser Lothars III. (römisch-deutscher König von 1125-1137, Kaiser ab 1133). Die systematische Beteiligung der Gemahlin an der Herrschaft (consors regni) des Königs und Kaisers war eine Erscheinung des Früh- und Hochmittelalters. Ältere Studien zeichneten den historischen Verlauf der konsortialen Herrschaftsteilhabe nach und konnten feststellen, dass Richenza die letzte bedeutende consors regni war. Ausführliche Beiträge zu ihr sind Desiderata der Forschung. Die vorliegende Arbeit will daher den Umfang ihrer Herrschaftsteilhabe untersuchen, die Schwerpunkte herausstellen sowie die konkreten Grundlagen aufzeigen.

Die Untersuchung erfolgt in mehreren Einzelstudien, die zum einen chronologisch an den Lebensabschnitten (Geburt und Familie, Ehe mit Herzog Lothar, Herrschaftsteilhabe als Königin und Kaiserin, Witwenschaft) orientiert sind, zum anderen für die Beurteilung der Herrschaftsteilhabe bedeutsame Aspekte (Itinerar, Interventionstätigkeit in den Urkunden, Memorialüberlieferung) in den Blick nehmen.

Richenza stammte aus den höchsten Kreisen des sächsischen Adels. Sie war die Tochter Heinrichs des Fetten von Northeim und Gertruds von Braunschweig. Sowohl die Grafen von Northeim als auch die Brunonen besaßen durch Herrschaftsrechte wie durch verwandtschaftliche Beziehungen hohes Ansehen und taten sich in der Adelsopposition der Sachsen gegen die salischen Herrscher an führender Stelle hervor. In ihrer Mutter hatte Richenza ein Vorbild hinsichtlich herrschaftlich aktiver Frauen.

Die Ehe mit Lothar, geschlossen um das Jahr 1100, folgte der Entwicklung, weite Kreise des ostsächsischen Adels in die Verwandtschaft der Grafen von Northeim einzubinden. Graf Lothar von Süpplingenburg war zwar keineswegs ein unbedeutender Adliger, allerdings kann nicht übersehen werden, dass die Ehe mit Richenza für den späteren Aufstieg von grundlegender Bedeutung (Erbschaften, Herrschaftsrechte, Verwandtschaftsbeziehungen) war.

Im Jahr 1106 wurde Lothar Herzog von Sachsen. Es kann gezeigt werden, dass Richenza bereits als Herzogin an der Herrschaft ihres Gemahls beteiligt war. Die angesprochene grundlegende Bedeutung der Ehe mit Richenza zeigt sich in der herrschaftlichen Durchdringung Sachsens (vom Stammes- zum Gebietsherzogtum). Herzog Lothar führte die sächsischen Traditionen in der Opposition zu Heinrich V. fort. Durch seine sächsischen Machtgrundlagen gelang es ihm, nach dem Sieg bei der Schlacht am Welfesholz (1115), eine vom König faktisch autonome Stellung zu erlangen.

Mit der Königswahl Lothars III. im Jahr 1125 rückte das Herzogtum Sachsen von der Peripherie ins Zentrum des Reiches. Richenza wurde zur römisch-deutschen Königin gekrönt und setzte ihre seit nahezu 20 Jahren praktizierte Herrschaftsteilhabe fort. Die Ausdehnung des Herrschaftsbereiches vom Herzog- zum Königtum gestaltete sich unproblematisch. Mit den politischen Vertrauten, der Kanzlei und der Hofgeistlichkeit wurden die sächsischen Strukturen auf das Reich übertragen. Ein Großteil der sächsischen Elemente der Königsherrschaft ging hauptsächlich auf von Richenza eingebrachte Beziehungen zurück: Die politischen Vertrauten waren nahe Verwandte der Königin und das Personal der Kanzlei/Hofgeistlichkeit stammte aus Eigenklöstern und –stiften ihrer Vorfahren.

Auf diesen Grundlagen, die sich seit der Herzogszeit nicht gewandelt hatten, konnte Richenza ihre konsortiale Herrschaftsteilhabe im gesamten Reich entfalten. Sie war ausweislich des Itinerars und der Urkundentätigkeit in allen Reichsteilen präsent und wurde als Vermittlerin tätig. Die Verteilung der Memorialüberlieferung konnte dieses Ergebnis erhärten. Betrachtet man den Anteil ihrer Interventionen an der Urkundentätigkeit, wird man Richenza als wichtigste Beraterin ihres Gemahls bezeichnen können.

An den wichtigsten Entscheidungen der Reichspolitik hatte sie Anteil. So nahm sie an beiden Italienzügen teil und unterstütze dabei die Herrschaftsausübung Lothars III. Die Entscheidung des Papstschismas 1130 deutet ebenfalls eine zentrale Stellung Richenzas an. Für die Zeitgenossen überaus bedeutsam war ihr Agieren als Friedensstifterin für die staufischen Brüder Friedrich und Konrad, die seit der Königswahl in Opposition zu Lothar III. standen. Ihre konsortiale Herrschaftsteilhabe folgte dem ottonischen Profil „Vermitteln, Beraten, Erinnern“.

Nach dem Tod Lothars III. stand Richenza an der Spitze der sächsischen Opposition gegen Konrad III. und Albrecht den Bären. Ihr gelang es, die welfischen Ansprüche auf das Herzogtum Sachsen erst für ihren Schwiegersohn Heinrich den Stolzen und später für seinen Sohn, Heinrich den Löwen, zu sichern. Die Ziele eines welfischen Königtums bzw. eines welfischen Doppelherzogtums konnte sie nicht durchsetzen. Die Vollendung dieses Anspruchs gelang erst ihrem Enkel.

Der beachtliche Umfang der konsortialen Herrschaftsteilhabe Richenzas führte zurück zur Frage, weshalb sie die letzte consors regni war. Die Ursachen des Niedergangs konnten in der salischen Zeit ausfindig gemacht werden. Der persönliche Umgang Heinrichs IV. mit seinen Gemahlinnen fügte der weiblichen Herrschaftsteilhabe enormen Schaden zu. Hinzu kam, dass der krisenhaft, aber auch systematisch eingeschränkte Wirkungsbereich des Königtums, das Konsortium der Herrscherin ebenfalls limitierte. In der gleichen Zeit stieg die Verantwortung der Fürsten für die Reichsangelegenheiten sprunghaft an. Diese Entwicklungslinien sind in staufischer Zeit weiterzuverfolgen, in welcher die Reichsgewalt auf rechtlicher Grundlage zwischen König und Fürsten geteilt wurde. Die Herrschergemahlinnen fanden dabei keine Berücksichtigung mehr.

Richenzas Tätigkeit fällt somit in eine historische Umbruchssituation, die eine derart ausgeprägte Herrschaftsteilhabe nicht erwarten ließ. Als Grund dieser Sonderstellung konnten zum einen die breiten Machtgrundlagen und der das ganze Reich erfassende Wirkungsbereich des Königtums Lothars III. benannt werden, die auch die Möglichkeiten des Konsortiums (wieder) erweiterten. Zum anderen lag der Erfolg im Herrschaftsstil begründet. Lothar III. setzte auf konsensuale Herrschaft. Richenzas Vermittlungstätigkeit zwischen Fürsten und König war daher besonders nachgefragt, was ihren Rang ebenfalls steigerte. Zusätzlich konnte über die Auswertung der Perzeption ihrer Person in den Quellen festgestellt werden, dass sie auf Basis der christlichen Milde agierte und daher dem Idealbild einer frommen Herrscherin sehr nah kam. Das Handeln nach Maßgabe dieses Herrscherideals begründete ebenfalls ihre Integrations- und Vermittlungsfunktion.

Richenza hatte einen ganz wesentlichen Anteil am Erfolg der Herrschaft Lothars III., die bereits von den Zeitgenossen als gerecht und den Frieden und die Eintracht wiederherstellende Zeit wahrgenommen wurde.

 

Die Promotionsschrift wurde am 24. August 2015 eingereicht und am 20. Januar 2016 verteidigt. Die Promotionsleistung erhielt das Prädikat summa cum laude.

Letzte Änderung: 28.02.2019 - Ansprechpartner: Stephan Freund