Weibliche politische Partizipation im Raum Sachsen-Anhalt. Frauen in der kommunalen Politik, 1893 bis 1933.

Abbildung Frauen! Frau Schneidewin 1919

1919 kandidierte die Magdeburgerin Helene Schneidewin, die durch ihr frauenpolitisches Engagement in der Stadt bekannt war, für die Deutsche Demokratische Partei.

 

Projektleitung: Prof. Dr. Eva Labouvie

Bearbeitung: Dr. des. Sina Speit

Förderung: Land Sachsen-Anhalt (Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt Sachsen-Anhalt)

Laufzeit: November 2022 – Oktober 2025

 

Das Forschungsprojekt möchte einen explizit landesgeschichtlichen Beitrag zur Beteiligung von Frauen an Politik und Gesellschaft, der Entstehung des modernen Gemeinwesens und der Beförderung des Demokratisierungsprozesses im Raum Sachsen-Anhalt zwischen den 1890er Jahren und 1933 leisten. Für diesen von politischen und gesellschaftlichen Zäsuren geprägten Zeitraum – von der Monarchie des Deutschen Kaiserreichs, über den Ersten Weltkrieg und die Revolution bis zur Gründung der Weimarer Republik als erste deutsche Demokratie – soll herausgearbeitet werden, welche Standpunkte Frauen als politisch Aktive verschiedenster Couleur vertraten und wie sie diese auf kommunalpolitischer Ebene umzusetzen suchten. Die Studie verfolgt einen geschlechterhistorischen Forschungsansatz und zielt auf einen Beitrag zur Politik-, Sozial-, Mentalitäts- und Kulturgeschichte der Region.

1893 führte Neuseeland als erster neuzeitlicher Staat das Frauenwahlrecht ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich im Deutschen Kaiserreich und auch in der Region des heutigen Sachsen-Anhalts schon die – international vernetzte – Frauen(wahlrechts-)bewegung herausgebildet, die erst 1918 mit Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für alle Bürger*innen ab 20 Jahren ihr Ziel erreichte. Dabei ist bemerkenswert, dass die Kommunalpolitik für die sogenannte erste Frauenbewegung in ihrem Kampf für das Frauenwahlrecht ein wichtiger Ansatzpunkt war. So forderte sie zuerst das „Gemeindewahlrecht“ für Frauen und sowohl die bürgerlichen Frauenvereine, allen voran der Allgemeine Deutsche Frauenverein, als auch die sozialdemokratische Frauenbewegung verfolgten das Ziel, Frauen zunächst in kommunale Mitbestimmungsstrukturen zu integrieren.

Das neue Reichsvereinsgesetz von 1908 hatte es Frauen erstmalig erlaubt, Mitglied in politischen Parteien zu werden. Ab 1918 konnten sie sich selbst zur Wahl stellen und in die Parlamente der Weimarer Republik einziehen, und zwar auf überregionaler, aber auch lokaler Ebene – etwa in die Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen. Diese Chance nahmen zahlreiche Frauen wahr, die schon zuvor durch das Engagement in ihrer Stadt oder Gemeinde außerhalb parlamentarischer Strukturen gewirkt hatten. Sie waren als die ersten demokratisch gewählten Parlamentarierinnen im lokalpolitischen Bereich Pionierinnen in ihrem Feld, ihr Wirken ist jedoch bisher kaum untersucht worden.

Bürgerliche Frauenvereine warben 1919 für die Liste des Naumburger Bürgerausschusses und sprachen „Frauen und Mädchen Naumburgs“ an, zur Wahl zu gehen.

Das Forschungsprojekt fragt mit in einem regionalspezifischen Zugriff nach dem quantitativen Umfang weiblicher Mandate in den kommunalpolitischen Parlamenten; nach der Repräsentanz von Frauen in den unterschiedlichen Parteien, die in den Kommunalparlamenten vertreten waren; nach der Kontinuität der kommunalpolitischen Arbeit von Frauen und nach der Verflechtung ihres zivilgesellschaftlichen bzw. frauenbewegungspolitischen und mandatsbezogenen Engagements. Darüber hinaus soll untersucht werden, wie sich die Politikerinnen in die männlich geprägten Räume der Kommunalpolitik einbrachten und diese durch ihr Handeln veränderten. Dabei spielt eine Rolle, mit welchen Themen sie sich befassten, wo sie eventuell Einschränkungen oder begrenzenden Zuweisungen unterlagen und wie sie ihre Handlungsräume ausweiteten und in ihnen wirkten.

Bürgerliche Frauenvereine warben 1919 für die Liste des Naumburger Bürgerausschusses und sprachen „Frauen und Mädchen Naumburgs“ an, zur Wahl zu gehen

Dabei ist auch von Interesse, mit welchem Selbstverständnis Frauen auf dieser Ebene der Politik in Erscheinung traten. Es sollen auch regionale Spezifika, etwa die Nähe zu Leipzig und Berlin als zwei wichtige Zentren der ersten Frauenbewegung oder die besondere Stärke der Sozialdemokratie in Mitteldeutschland herausgearbeitet werden.

Die neuartigen Erkenntnisse des Projektes werden in einer Monographie veröffentlicht, sollen in Teilen aber schon zuvor über eine Projekt-Website einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Letzte Änderung: 17.07.2024 - Ansprechpartner: Webmaster