Tagung Kulturen des Bruchs
Gibt es Grenzen des Wachstums in der Kultur und ist uns die Zukunft in Zeiten der dominanten Gedenk-, Erinnerungs- und Erhaltungskultur zu einem Ort der Angst geworden?
Diese Fragen beschäftigen die Teilnehmer der Tagung „Kulturen des Bruchs“, die vom 28. bis 30. Juni 2012 in Berlin stattfand. Die öffentliche Veranstaltung ermöglichte es Studenten, Wissenschaftlern und interessierten Besuchern, mit renommierten Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kunst und Politik in das Gespräch zu kommen. Auch 15 Doktoranden und Studierende des Lehrstuhls für Geschichte der Neuzeit durften in Berlin erleben, wie schnell es auf wissenschaftlichen Tagungen zu hitzigen Diskussionen kommen kann. Zudem erhält man nicht alle Tage die Möglichkeit, den Ägyptologen Jan Assmann über die Gedächtnisgeschichte referieren zu hören oder erlebt den Gründer von „FuturZwei“ Harald Welzer beim Philosophieren über die Krise der Sprache. Aber auch einem Hans Ulrich Gumprecht bei seinen Ausführungen über die Begriffstheorie zu folgen, ist Grund genug an einer solchen Tagung teilzunehmen. Im Rahmen der Exzellenzinitiative des Instituts für Geschichte hatten Studierende nun erstmals die Möglichkeit, Einblicke in ihr späteres Berufsfeld zu erhalten. Sophie Hubbe
Veranstaltungstext der Kulturstiftung des Bundes | |
Keine andere Zeit rechnet so mit den Beständen wie unsere Gegenwart. Unsere Speicher sind randvoll mit den Errungenschaften vergangener Zeiten. Gerade die zwei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer standen im Zeichen forcierter historischer Selbstvergewisserung. Die Erinnerungskultur wurde zur geheimen Räson der sich formierenden Berliner Republik und das "Gedächtnis" stieg zur Leitvokabel auf. Wie fern liegt uns heute die einstmals avantgardistische Geste, die gerade im Abbruch, der Zäsur den Boden für Innovation sah. Nur der Blick zurück scheint noch die Sicherheiten zu gewähren, die der Sturm auf uns einstürzender, bisher undenkbarer Ereignisse zu kassieren droht - von 9 /11 bis Fukushima. In der Welt, die politisch, ökonomisch und ökologisch aus den Fugen zu geraten scheint, wird der Griff in die Register allein aber nicht mehr zur Orientierung reichen. Gefragt sind heute Kulturen des Bruchs. Wie lassen sie sich denken - nur als Verlust oder auch als Freiheit? So brisant diese Jahre sind, so wenig haben wir bisher ein Gefühl für die Gravität unseres eigenen Zeitalters gewonnen, das Neue auf den Begriff gebracht. Die Thesen stolpern den Ereignissen hinterher. Im allgemeinen Retrogeist der Stunde werden unsere Erwartungen von den alten Erfahrungen geleitet. Anstatt Agenten der Zukunft sind wir Verwalter der Vergangenheit geworden. Sie scheint in unübersichtlicher Zeit die bad bank zu sein, bei der wir unsere Risiken und Unfähigkeit zur Entscheidung auslagern. Auf dem Programm steht nicht weniger als ein grundsätzliches Gespräch zur intellektuellen und im weiteren Sinne kulturellen Lage. Können wir im freien Feld eines neuen Jahrhunderts brechen mit überkommenen Positionen, Begriffen und Lektüren? Oder stellt die Vergangenheit ein unhintergehbares Archiv an Erfahrungen bereit für unsere Entscheidungen? Mit der Tagung Kulturen des Bruchs versammelt die Kulturstiftung des Bundes herausragende Köpfe aus Wissenschaft, Kunst und Politik, die sich mit den Gründen und Energien unserer Memoria-Leidenschaft auseinandersetzen und nach Alternativen suchen. Eine fundamentale Aussprache über Nutzen und Nachteil des Vergessens für unser Leben. |
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Leitung und Konzept: | Stephan Schlak / Friederike Biron, Berlin |
Idee: | Friederike Tappe-Hornbostel |
Produktion und Beratung: | Samo Darian, Katrin Klingan, Katja Sussner (relations projekte GbR), Berlin |
Bilder: | Mit freundlicher Genehmigung der Kulturstiftung des Bundes / Frau Diana Keppler |